Sound Art History

Klangliche Dimensionen der Kunst des Mittelalters

Sound Art History erforscht die Verbindungen von Hören, Sehen und Fühlen in der mittelalterlichen Kunst und Architektur.

Das Projekt

Klang beeinflusst, wie und was wir sehen. Dies gilt auch umgekehrt – die visuelle Wahrnehmung beeinflusst die auditorische. Das Projekt untersucht, wie sich diese multisensorischen Verflechtungen an Objekten und Monumenten in bestimmten Kontexten und Prozessen manifestieren.

Wie beeinflusst das ikonographische Programm eines Ambos oder einer Kanzel mündliche und musikalische Elemente der Liturgie, wie beispielsweise Predigt, Lesung, Gesang? Und umgekehrt: Wie formen gesprochene oder gesungene Akte die visuelle Gestaltung der liturgischen Ausstattung?

Lässt sich der Klang eines Elfenbeinhorns im Hinblick auf seinen sichtbaren Dekor deuten und welche Bedeutungsschichten entstehen wiederum im Zusammenspiel von Klang, Form und Haptik?

Wie kann das Hören der Orgel oder schon eines einzelnen Glöckchens die Wahrnehmung eines Raums verwandeln, ihn emotional aufladen, unser räumlich-zeitliches Erleben strukturieren und zur Intensivierung transzendenter Erfahrung beitragen?

Solchen Fragen widmet sich der Forschungsschwerpunkt Sound Art History. Im Fokus stehen die audiovisuellen, materiellen und medialen Dimensionen von Klang im Mittelalter sowie die damit verbundenen methodischen Herausforderungen. 

Zentral ist dabei der Begriff der Resonanz – einerseits im physikalischen Sinn als Mitschwingen eines Mediums durch Schall, andererseits im soziologisch-philosophischen Sinne (nach Hartmut Rosa) als wechselseitige Weltbeziehung, in der Subjekt und Welt einander berühren und verändern.

Beide Resonanzbegriffe bilden den theoretischen Rahmen zur Analyse der komplexen Beziehungen zwischen Klang, Raum, Materialität und den ästhetisch, visuell und sinnlich erfahrbaren Qualitäten mittelalterlicher Werke.

Im Projekt werden diese Bezüge aus fünf Blickwinkeln erschlossen: Klangobjekte, Klangfähige Objekte, Sinnesbrücken, Soundscapes, Auditive Imagination.

  • Klangobjekte: Objekte, die gezielt für die Erzeugung von Klang entwickelt wurden, ihre materielle und formale Gestaltung steht primär im Dienst der Klangwirkung. 
  • Klangfähige Objekte: Objekte, die primär visuell, haptisch oder funktional wahrgenommen werden, bei deren Nutzung aber Klänge beiläufig entstehen können.
  • Sinnesbrücken: Wechselwirkungen zwischen auditiver und visueller Wahrnehmung: Gehörtes wird in Gesehenes übersetzt und umgekehrt transformieren sich visuelle Eindrücke in Klang. 
  •  Soundscapes: Das Zusammenspiel von akustischem Erleben und räumlicher Gestaltung: Natürliche, künstliche und technische Klänge reagieren auf die architektonische, ästhetische und künstlerische Gestaltung des Raums.
  •  Auditive Imagination: Musik, Sprache, Rhythmus oder Klang werden ohne real vorhandene Schallquelle imaginiert und mit Bildern verbunden.

Warum Sound Art History?

Sound Art History eröffnet neue Einblicke in die mittelalterliche Kunst und Architektur, indem sie visuelle, akustische, räumliche und performative Aspekte interdisziplinär verbindet. Dieser Ansatz erweitert die traditionelle, visuell orientierte Kunstgeschichte um sinnliche und vor allem um hörbare Dimensionen, die für das Verständnis mittelalterlicher Werke unverzichtbar sind. Denn gerade zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert waren Kunst, Musik, Sprache, Liturgie und Ritual eng miteinander verwoben. Durch die Analyse der klanglichen Qualitäten von Objekten, Ikonografien und Architekturen möchten wir die audiovisuellen Wahrnehmungs- und Bedeutungszusammenhänge dieser Zeit nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar machen. Sound Art History leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Wechselbeziehungen von Material, Raum und Klang im Mittelalter.

Aktuelle Beiträge

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Das Team

Prof. Dr. Joanna Olchawa

Seit 2024 ist Joanna Olchawa Professorin für Kunstgeschichte des Mittelalters an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zuvor war sie wissenschaftliche Assistentin an der Goethe-Universität Frankfurt, wo sie ihre Habilitation zur klanglichen Dimension spätmittelalterlicher Kanzeln und zur methodischen Fundierung einer Sound Art History einreichte. Nach ihrer Promotion an der Freien Universität Berlin war sie in verschiedenen Forschungsprojekten tätig, unter anderem an der LMU München und der Universität Osnabrück. Ihre Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Reginald Taylor & Lord Fletcher Essay Prize (2024) und dem Ernst-Reuter-Preis (2015). Forschungsaufenthalte führten sie an das Institute for Advanced Study in Princeton, das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris und an weitere internationale Einrichtungen. In ihren Projekten widmet sie sich Fragen der Audiovisualität, Materialität und der multisensorischen Wahrnehmung mittelalterlicher Kunst.

Ella Beaucamp

Ella Sophie Beaucamp wurde 2023 an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. In ihrer Dissertation untersuchte sie den Reliefdekor venezianischer Händlerpaläste des 12. und 13. Jahrhunderts. Zuvor studierte sie Kunstgeschichte, Byzantinische Kunstgeschichte sowie Kunst/Musik/Theater an der LMU. Forschungs- und Lehrtätigkeiten führten sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach München und Berlin. Als Stipendiatin war sie auch im Ausland tätig, unter anderem am Deutschen Studienzentrum in Venedig, an den Deutschen Historischen Instituten in Rom und Istanbul sowie am Orient-Institut in Kairo. Ihre Forschung verbindet detaillierte Objekt- und Bildanalysen mit transkulturellen, wirtschaftshistorischen und materialikonografischen Fragestellungen. Der geografische Schwerpunkt liegt auf der Kunst und Architektur Italiens, insbesondere in ihren globalen und mediterranen Verflechtungen.

Prof. Dr. Joanna Olchawa

Prof. Dr. Joanna Olchawa

Seit 2024 ist Joanna Olchawa Professorin für Kunstgeschichte des Mittelalters an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Ella Beaucamp

Ella Beaucamp

Ella Sophie Beaucamp wurde 2023 an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. In ihrer Dissertation untersuchte sie den Reliefdekor venezianischer Händlerpaläste des 12. und 13. Jahrhunderts.

Hilfskraft

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